Haben Hunde ein schlechtes Gewissen?

Wer hat das noch nicht erlebt? Der Hund empfängt uns übertrieben freudig oder er begrüsst uns gar nicht. Meist wissen wir sofort, dass da etwas passiert sein muss. Ein angenagter Schuh? Ein Häufchen auf dem Teppich? Unser Freund zeigt alle Anzeichen eines schlechten Gewissens.

Ein Welpe begreift die Menschenwelt

Von dem Moment an, an dem ein Welpe in einen Menschenhaushalt kommt, beginnt ein grosses Abenteuer. Bis jetzt war das Hundebaby hauptsächlich mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammen. Auch wenn es schon Kontakte zum Menschen hatte, der Mittelpunkt seiner Welt war seine Mama. Hunde sind sehr lernfähig und werden daher schnell zu guten “Menschenkennern”. Natürlich begreifen sie uns Zweibeiner aus der Sicht eines Tieres – es ist ihnen nicht möglich, sich in die Menschenwelt tatsächlich “hineinzudenken”. Der Vierbeiner interpretiert die Menschenwelt immer mit Hilfe seines “Hunde-Horizonts”. Das heisst aber nicht, dass er sich nicht an die von seinem Menschen aufgestellten Regeln halten kann.
Der Teppich ist ein wertvolles Erbstück, die Schuhe etwa teure italienische Designermodelle? All das kann man dem Kameraden sagen und ihn ermahnen, seine Zähne nicht daran zu erproben. Er versteht nichts von Antiquitäten und das Thema “Geld” interessiert ihn schon gar nicht.
Wenn man dem kleinen Racker allerdings in dem Moment, in dem er sich am Teppich oder den Schuhen zu schaffen machen will, seine Missbilligung deutlich macht, dann kann er diese nachvollziehen. Je klarer und knapper man sich dabei ausdrückt, um so schneller wird er lernen. Er lässt aber auch zukünftig diese Sachen nicht in Ruhe, weil sie kostbar sind, sondern weil er gelernt hat, dass es verboten ist, daran zu kauen.
Wer das Hundekind geduldig und verständnisvoll behandelt, aber dennoch konsequent auf seine Autorität besteht, wird schnell der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens sein. Regeln die hundegerecht “erklärt” werden, akzeptiert das Jungtier. So wie bei kleinen Kindern sind der Zuverlässigkeit des Kleinen jedoch Grenzen gesetzt. Lässt man ihn plötzlich und ohne Vorbereitung lange Zeit alleine, könnte er nicht nur seine Angst laut hinausheulen, sonder sich eben doch mit dem verbotenen Teppich oder den Schuhen beschäftigen. Und das, obwohl er “weiss”, dass er das nicht darf.

Vom Gedächtnis der Hunde

Ohne Gedächtnis ist das Lernen unmöglich. Alles Erlernte wird im Gedächtnis gespeichert. Das richtige Abrufen dieses Verhaltens kann man durchaus als Intelligenzleistung bezeichnen. In den Grenzen ihres Horizonts lernen Hunde in der Regel sehr schnell. Vergesse nie, dass das Tier die menschliche Sprache nicht versteht. Bedenke auch, dass es erlernte Verhaltensweisen nicht reflektieren kann. Eine solche Verstandesleistung vorauszusetzen hiesse, dem Vierbeiner Unrecht zu tun. Er kann lediglich lernen, auf bestimmte Reize in bestimmten Situationen mit einem bestimmten Verhalten zu reagieren.
Wie geht der Lernprozess vor sich? Das “Denken” des Hundes ist einzig und allein darauf gerichtet, dass es angenehme und unangenehme Verhaltensaktionen gibt. Dementsprechend muss man die Erziehung auf Gebote und Verbote aufbauen. Verbote erkennt das Tier daran, dass der Besitzer bestimmte Verhaltensweisen hemmt. Diese Hemmungen muss man durch ständige Wiederholungen festigen . Will man dem Racker etwa abgewöhnen, sich in übel riechendem Dreck zu wälzen, sollte man sich erst die Zusammenhänge verdeutlichen. Den Vorgang des Wälzens und das Resultat, einen gewissen Duft übernommen zu haben, empfinden manche Vierbeiner als sehr angenehm. Wirkt man aber in dem Moment ein, da der Schlingel beginnt, sich zu wälzen, indem man ihn z.B. mit einer Wurfkette und deutlichem “Pfui” abhält, dann wird das Wälzen für ihn zu einem unangenehmen Vorgang. Er hat den negativen Reiz (Kette, “Pfui”) mit der Handlung des Wälzens verknüpft.
Freilich hilft ein einziges gezieltes Eingreifen in der Regel nicht aus, ein Verhalten auf Dauer zu hemmen, man muss den Tadel immer wiederholen, sobald der Schüler sich wälzen will. Hält man das konsequent durch, kann man eine andauernde Hemmung erreichen. Der Hund lernt durch Verknüpfung eines Reizes (“Pfui”, Kette) mit einer Verhaltensweise (Wälzen).

Das “schlechte Gewissen”

Das folgende Geschehen kommt bestimmt jedem bekannt vor: Beim Nachhausekommen begrüsst einen der Racker entweder besonders demütig oder übertrieben fröhlich. Meist weiss man dann sofort, dass er etwas angestellt hat. Überlegt man in dieser Situation einmal ganz genau, ob er dieses Demutsverhalten auch gezeigt hat, als er das erste Mal mit einem angeknabberten Schuh ankam?! Sicherlich nicht – er war im Gegenteil ganz stolz auf diese “Tat”. Aber zu seinem Erstaunen wurde er dafür getadelt.
Das eigentliche Fehlverhalten lag zum Zeitpunkt der Strafe aber schon lange zurück. Wirklich sinnvoll ist das Eingreifen nur in dem Moment, da der Übeltäter seine Zähne am Schuh erprobt. Später kann er die Strafe nicht mehr mit dem Fehler assoziieren.
Warum zeigt er aber dann alle Anzeichen eines schlechten Gewissens? Dem Hund ist sein vergangenes Verhalten gleichgültig. Aber er fürchtet die negative Reaktion seines Besitzers. Ein Hund ist durchaus in der Lage Verlegenheit oder Scham zu zeigen. Die Interpretation, dass er wegen eines lange zurückliegenden Fehlverhaltens Schuldgefühle hat, ist eine Vermenschlichung.
Der Mechanismus des schlechten Gewissens funktioniert anders. Man findet ein Häufchen auf dem Teppich? Selbst wenn man sich nicht aufregt und kein Wort sagt, merkt ein sensibler Hund die Veränderung an unseren Körpersignalen. Daher wird unser Freund so reagieren, dass wir meinen er wüsste, dass er sich schämen muss. Man kann die meisten Hunde leicht in Verlegenheit bringen, auch wenn sie überhaupt nichts gemacht haben. Solche Experimente sind zwar unfair, aber manchmal ganz aufschlussreich.
Wie verhalten wir Menschen uns also richtig? Man lässt einen Welpen nie aus den Augen oder setzt ihn in einen Welpenstall, wo er nichts anstellen kann. Wir haben dazu einen alten Kinderlaufstall genommen. Erwischt man den Kleinen auf frischer Tat, wird er getadelt. Ist das Malheur schon geschehen, sieht man wortlos darüber hinweg.